Energie für Raum & Körper
 
 

Hochhäuser: Unser neuer Lebensraum?!


Wenn nach Expertenmeinung bis 2050 rund 75 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnen, wird Platz immer knapper und teurer. Wie schafft man also – besonders in Ballungsgebieten – Platz zum Lernen, Arbeiten und Leben? Es bleibt nur die Vertikale. Doch am Image von Hochhäusern scheiden sich die Geister: Einerseits kann es ein Zeichen von Wohlstand sein, betrachtet man beispielsweise die sprunghafte Zunahme in Asien – andererseits werden Stadt- und Landschaftsbild teils verschandelt, es können soziale Brennpunkte entstehen und oft will in solchen "Hasenställen" doch keiner wohnen – so häufige Einwände. Dass es auch anders geht, zeigen die Beispiele des Internationalen Hochhaus Preises (IHP) 2010, der am 5. November 2010 feierlich in der Frankfurter Paulskirche verliehen wurde. Interessant zu erwähnen: In diesem Jahr stammen vier der fünf Finalisten aus Asien.
Die Siegertrophäe erstand "The Met", das in einem Innenstadtviertel von Bangkok/Thailand steht; die Entwurfsplanung stammt von WOHA Architects. Wong Mun Summ, Mitbegründer von WOHA (Singapur), nahm den Preis – eine Statuette von Künstler Thomas Demand – sichtlich bewegt entgegen. Der Bauherr des "Met", Hotel Properties Limited, stiftete das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro einer lokalen wohltätigen Organisation, die bedürftigen Schulkindern in Singapur u.a. Essen bereitstellt. Kinder können so auch Architektur kennen und schätzen lernen, erklärt Wong und fügt hinzu, dass Kinder mit Essen im Bauch einen guten Start in den Tag und ins Leben bekommen.

Der Gedanke: "Wie geht es dem Menschen?" klingt auch deutlich an, als Wong "The Met" vorstellt: Das 230 Meter hohe Wohnhochhaus will seinen Bewohnern Lebensqualität bieten, es will sich ins Stadtbild einfügen und die Umwelt schonen. Dazu bricht es mit den Normen. Denn westlich geprägte Hochhäuser grenzen sich eher von der Umwelt ab – hierzulande um Kälte abzuhalten – oder um der Hitze zu trotzen, wie z.B. beim Finalisten Burj Khalifa in Dubai, dem derzeit höchsten Hochhaus der Welt, das u.a. wegen seiner technologischen Innovationen von der Jury geehrt wurde. "The MET" hingegen bietet als Lösung für tropisches Klima bewusst eine große "Angriffsfläche": Sechs miteinander verbundene, in sich offen gestaltete Türme profitieren von natürlicher Wind-Kühlung, verstärkt durch Grundrisse, die von allen Seiten die Apartments mit natürlichem Licht und – dank Querlüftung – mit Luft versorgen. Der Einsatz von Klimaanlagen wird so nahezu überflüssig. WOHA will mit seiner Planung, dass der Bewohner sich als Individuum statt als Nummer fühlt, will ihm seine eigene Haustür und sein Gärtchen geben, eine Art Landschaft integrieren, ein Gemeinschaftsgefühl wie in einem Dorf innerhalb des Hauses schaffen – für entspanntes und gesünderes Leben in den Mega-Cities des Tropen. So verfügen einige der 370 Apartments über einen eigenen Pool, es gibt ein gemeinschaftliches Schwimmbad, viel Grün, Treffpunkte, Bereiche für Sport, Spielplätze für Kinder – das alles lässt "The Met" sehr wohnlich erscheinen – auch, wenn der erste Anblick doch eher einem normalen Hochhaus ähnelt. Auf den zweiten Blick erkennt man die "Leichtigkeit" der Bauweise und das Bestreben der Planer, das Haus in die Nachbarschaft zu integrieren. Auf den Balkonen sind viele der herrlich duftenden Frangipani-Bäume zu sehen, die Verschattungsflächen sollen in ein paar Jahren mit üppigem Grün überwachsen sein, einige der aus verschiedenen Materialien zusammengestellten Verkleidungs-Elemente sehen wie Spiegel aus in Anlehnung an nahe stehende Tempelanlagen.

Spencer de Grey, Head of Design bei Foster+Partners (London), die 2008 mit dem IHP ausgezeichnet wurden, wies außerdem auf die Kosteneffizienz für alle Beteiligten hin, wenn öffentliche Verkehrsmittel in nächster Nähe genutzt werden könnten.

Diesen wirtschaftlichen Aspekt betonte auch Dr. Matthias Danne, Immobilienvorstand der DekaBank, als er einen weiteren Finalisten vorstellte: Der "Tokyo Mode Gakuen Cocoon Tower", der mehrere Schulen beherbergt, wurde bewusst in der Nähe eines Bahnhofs gebaut.
Auch die gemischte Nutzung, meist Wohnen (Eigentum, Hotel etc.), Einkaufen, Arbeiten – also eine "City in the City", gefiel der Jury bei den Finalisten-Hochhäusern, zusätzlich zu Kriterien wie Energie-Effizienz, innovative Technik, um nur einige zu nennen.

Beim Gang durch die Austellung "Best HighRises", bei dem das Deutsche Architekturmuseum – wegen Umbau des DAM zu Gast im Museum für Angewandte Kunst Frankfurt – alle 27 nominierten Hochhäuser aus sechzehn Ländern präsentiert, entscheidet im ersten Moment das Auge. So "gefallen" dem unbedarften Betrachter in der Regel zuerst Bauten, die formal bekannt erscheinen. Beispielsweise wirkt der o.g. Tower wie ein Cocoon – bewusst – soll er doch den Schülern Raum zum "Verpuppen" geben um später fliegen zu können, so die Idee dahinter. Der Finalist "Aqua Tower", der im größten innerstädtischen Entwicklungsgebiet Chicagos steht, in nächster Nähe zum Lake Michigan und dem Chicago River, greift mit unterschiedlich gewölbten Balkonen die gekräuselte Wasseroberfläche auf. Gleichzeitig dient die weich geformte "Außenhülle" als Windbrecher und Schattenspender. Der Grundriss des "Burj Khalifa" ist einer dreiblättrigen Wüstenblume nachempfunden.

Beim "Shanghai World Financial Center", häufig als größter Flaschenöffner der Welt geneckt, kommt u.a. die chinesische Symbolik von Himmel und Erde (Kreis und Quadrat) ins Spiel.

Beim "The Met" stehe nicht allein die Form, sondern der Raum im Vordergrund. Dies sei weniger durch Fotos, sondern beim Durchwandern des Gebäudes körperlich zu erfahren, betont Dipl.-Ing. Michaela Busenkell, Kuratorin der Ausstellung vom Deutschen Architekturmuseum.
In Frankfurt/Main habe man sich laut Oberbürgermeisterin Dr. h.c. Petra Roth das Thema Nachhaltigkeit 2008 in den Hochhaus-Entwicklungsplan geschrieben. So zähle nicht nur Technik, Höhe und spektakuläre Form, auch funktionale, städtebauliche und ökologische Aspekte seien für eine ganzheitliche Hochhaus-Architektur entscheidend. Und Prof. Dr. Felix Semmelroth, Kulturdezernent von Frankfurt, merkt als Jury-Mitglied die Leuchtturm-Funktion des Preises sowie der Finalisten-Gebäude an – u.a. als Seismograph in der internationalen Architekturdebatte, als ein Ausdruck für Frankfurts Bekenntnis zur Moderne, aber auch konkret mit Blick auf die ungewöhnliche Klimatisierung im "The Met" als wesentlichen Diskussionsbeitrag. Weil, so auch Semmelroth, Hochhäuser massiv auf die Lebensqualität von Menschen einwirken.
Wong fügt am Rande der Preisverleihung hinzu: Im "The Met" leben auch viele Familien mit Kindern. Die Familien wachsen, es werde viel gelacht, so der Planer, der es als ein Zeichen für gute Lebensqualität in "seinem" Hochhaus und guter Architektur ansieht, dass nun auch sozialer Wohnungsbau mit WOHAs Konzepten in Singapur angedacht sei.


Der Internationalen Hochhaus Preis (IHP), der alle zwei Jahre verliehen wird, in 2010 zum vierten Mal, wird von der Stadt Frankfurt/Main ausgelobt. Die Koordination und Organisation liegt beim Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Kooperation mit der DekaBank, die den Preis auch finanziert. Für Dr. Matthias Danne, Immobilienvorstand der DekaBank, gibt es einige gute Gründe, dass sich die Deka hier engagiert: "Wir sind einer der großen europäischen Immobilieninvestoren. Für unsere Fonds investieren wir weltweit und gerne auch in Hochhäuser." So liege es nahe, sich als Mitglied der Sparkassen–Finanzgruppe auch kulturell in diesem Bereich zu engagieren. "Außerdem finanzieren wir Hochhäuser, wir arbeiten – wie in Frankfurt, New York und Tokio – in markanten Hochhäusern. Die Überlappungen unseres täglichen Geschäfts mit dem IHP, den wir unterstützen, sind also vielfältig", resümiert Danne.

(Text und Fotos: Susanne Oelerich, 2010)